mmofacts.com

GAME Bundesverband: Browsergames profitieren von der Wirtschaftskrise

GAME Bundesverband: Browsergames profitieren von der Wirtschaftskrise

In scheinbar allen Branchen kriselt es derzeit heftig, auch die internationale Spieleindustrie musste bereits heftige Abstriche hinnehmen. Doch wie ist es zwischen all diesen Hiobsbotschaften um die europäische und insbesondere die deutsche Browsergamesbranche bestellt? Wir haben uns mit dem Branchenkenner schlechthin, Dr. Malte Behrmann, Generalsekretär der European Games Developer Federation und politischer Geschäftsführer des GAME Bundesverbandes deutscher Spieleentwickler, über die derzeitigen Standpunkte europäischer Browsergamesentwickler unterhalten.

Galaxy-News: Hallo Herr Behrmann! Nun hätte man ja vor einigen Jahren den GAME Bundesverband noch in keinster Weise mit Browsergames assoziiert. Unterscheiden sich die Bedürfnisse von Browsergamesentwicklern und den Entwicklern von Vollpreistiteln heutzutage überhaupt noch merklich?

Dr. Malte Behrmann, Generalsekretär der European Games Developer Federation und politischer Geschäftsführer des GAME Bundesverbandes deutscher Spieleentwickler

Malte Behrmann: Die Entwicklung ist vielschichtig. Natürlich hat ein Entwickler von Vollpreistiteln oder gar Next Generation Konsolentiteln andere Bedürfnisse als ein Entwickler von Browsergames. Auf der anderen Seite sind die Interessenlagen häufig sehr ähnlich. Es geht ja darum, Computerspiele zu entwickeln, also sich auszudenken und ihre konkrete Umsetzung zu betreiben. Browsergames sind eben deswegen sehr erfolgreich, weil man den Client nicht herunter laden muss, das heißt, sie sind ein spezieller Bereich von Computerspielen, die besonders in Deutschland erfolgreich sind. Aber sie sind Computerspiele und daher ist es völlig richtig, dass die Browsergamesentwickler in den letzten Jahren alle dem GAME Bundesverband beigetreten sind.

Galaxy-News: Obwohl die US-Spieleindustrie im Februar noch von zweistelligen Wachstumsraten gesprochen hat, hört man bereits von drastischen Sparmaßnahmen bei Firmen wie EA oder Sony, der Gaming-Sender GIGA muss sogar seinen kompletten Sendebetrieb an den Nagel hängen. Was ist denn nun der Fall? Steckt die Spielebranche allgemein betrachtet tatsächlich in einer finanziellen Krise oder ist sie davon weitgehend unberührt?

Malte Behrmann: Durch die Computerspieleindustrie geht ein tiefer Graben. Computerspiele, die traditionell im Box-Bereich über den Einzelhandel vertrieben werden - seien es PC Spiele, die in besonderem Maße betroffen sind oder Konsolenspiele, die weniger betroffen sind - müssen mit der Wirtschaftskrise umgehen, denn Computerspiele sind ein teures Unterhaltungsmedium, das natürlich auch in besonderem Maße betroffen ist. Es hat keinen Sinn daran herumzureden. Auf der anderen Seite steht der Onlinebereich. Der Onlinebereich profitiert in besonderem Maße von der Wirtschaftskrise. Denn viele Computerspieler gehen nun auf Free-to-Play-Games über, die besonders stark in Deutschland sind. Daher können wir nur feststellen, dass sich der Wandel vollzieht und insofern ist die Wirtschaftskrise eine wichtige Grundlage für den wichtigen Strukturwandel. Es sei in diesem Zusammenhang deutlich gesagt, dass wir in Deutschland und möglicherweise auch in ganz Europa die Entwicklung hin zu Online Games als einen Beitrag zu der Verselbstständigung der deutschen und europäischen Computerspieleindustrie sehen können, denn viele Elemente in der Distributionskette außerhalb Europas fallen weg und die Entwickler und Hersteller werden stärker. An dieser Stelle ist hier Europa am stärksten.

Galaxy-News: Oft kursiert sogar die Meinung, die Unterhaltungselektronik profitiere von Krisen, da die Leute in solchen Zeiten öfter spielten. Ist da etwas Wahres dran?

Malte Behrmann: Ja, das kann durchaus sein. Natürlich ist die Entwicklung dahin gehend, dass sich Menschen gerade auch in Krisensituationen stärker mit Computerspielen befassen. Genauere Studien dazu kenne ich jedoch nicht.

Galaxy-News: Um nun wieder zu den Browsergames zurück zu kommen: Die Gameforge AG beispielsweise legte erst kürzlich Berichte vor, wonach das Unternehmen derzeit um 350 Prozent wachse und hunderte neue Mitarbeiter einstelle. Geht es der Browsergamesbranche bezüglich der Wirtschaftskrise vergleichsweise tatsächlich besser als der herkömmlichen Spieleindustrie?

Malte Behrmann: Ja, das kann man so sagen. Natürlich sind die Online- und Browsergames in besonderem Maße auch Profiteure der Entwicklung der Breitbandverkabelung, die nun gerade stattfindet und der sog. Netzwerkneutralität, also der Tatsache, dass die Internetprovider und die Infrastrukturunternehmen den Content diskriminierungsfrei in gleichem Maße liefern müssen wie alle anderen Inhalte. Solange das so bleibt, wird es im Onlinebereich, gerade in Deutschland und Europa, einen besonders großen Wachstumsbereich geben. Es ist wichtig, dass wir diesen Wachstumsbereich so gut wie möglich unterstützen, denn er ist eine einmalige Chance für Europa, in diesem komplizierten Umfeld wieder auf das Weltniveau aufzuschließen.

Galaxy-News: Wo Sie schon das Thema Unterstützen ansprechen... Auf der Games Developer Conference im März hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie einen deutschen Gemeinschaftsstand organisiert, der auch kleineren Anbietern unter dem Motto „Made in Germany" einen Ausstellungsraum bot und an dem sich unter anderem auch Bigpoint beteiligte. Da Sie gerade erst dort waren: Können Sie uns näheres über dieses „Konjunkturpaket light" verraten? 

Malte Behrmann: Der GAME Bundesverband hat nun schon zum vierten Mal diesen Stand initiiert. Das hat mit der Konjunkturkrise an sich nichts zu tun. Sondern er ist eine Chance, der weltweiten Rolle Deutschlands in diesem Umfeld gerecht zu werden. Wir sind sehr froh, dass der AUMA (Ausstellungs- und Messeausschuss, Anm. d. Red.) und das BMWi uns im Auslandsmesseprogramm aufgenommen haben.

Galaxy-News: Sehen Sie ein Problem darin, dass die meisten Browsergames durch den hohen Anteil an externen Werbeeinnahmen in speziellem Ausmaß vom Wohlergehen anderer Wirtschaftszweige abhängig sind?

Malte Behrmann: Das ist sicherlich nur ein Teilbereich. Die größten Einnahmen erzielen Computerspieleentwickler im Browser -und Onlinespielebereich ja durch Subscription bzw. Item Selling Modelle, d.h. die Bezahlwege funktionieren im Wesentlichen nicht über Werbefinanzierung sondern anders. Insofern ist es sicher so, dass eine Abhängigkeit vom Werbemarkt, wie es etwa während der ersten .com-Ära verheerende Folgen gehabt hat, im Online -und Browserspielebereich niedriger ausfallen wird. Insofern ist hier ein Zusammenhang nur in gewissen Grenzen sichtbar. Es ist allerdings richtig, dass natürlich auch werbefinanzierte Online-Computerspiele existieren. Deren Werbung bezieht sich aber häufig nicht auf klassische Industriegüter, denn die Computerspieler sind ja typischer Weise nicht zwingend die Kernfokusgruppe solcher Produkte.

Galaxy-News: Zu guter Letzt noch Ihre persönliche Einschätzung... Werden Browsergames die herkömmlichen Client-basierten Spiele eines Tages vollends überflügeln oder stößt  das scheinbar exponentielle Wachstum der Branche bald an seine Grenzen?

Malte Behrmann: Ganz sicher ergänzen sich Client-basierte und Browsergames im Markt. Sie spielen nicht die selbe Rolle sondern sind in ihren Spezifika sogar aufeinander angewiesen. Man muss das Verhältnis zwischen Browsergames und Client-Based Games ähnlich sehen wie das Verhältnis einer biologischen Symbiose. Browser-Based Games sind leichter zugänglich und können deswegen auch als Werbemittel für Client-Based Games genutzt werden. Gleichzeitig haben Client-Based Games natürlich eine viel größere Schöpfungstiefe, weil sie sehr viel mehr Inhalte platzieren können. Und das Erlebnis der Client-Based Games liegt daher ungleich höher.

Galaxy-News: Wir bedanken uns für das interessante Interview.

Mehr zu

Datenbank

Eine Diskussion starten