Das User-Interface in (MMO)RPGs - Fluch oder Segen?
Ein gutes Benutzerinterface kann in MMOs die "Arbeit" erleichtern. Doch würde es auch komplett ohne gehen?
Über das Benutzerinterface werden die eigenen Skills, ein Chat, Daten von Partymitgliedern, der Umgebung, von Items, dem Inventar und Monstern angegeben, sodass man auf einen Blick alle wichtigen Dinge im Blick hat. Dass man hierdurch den Blick für das Wesentliche verliert, merken viele Spieler gar nicht mehr.
1992 erschien das Rollenspiel Ultima VII - The Black Gate von Origin. Nach dem ersten Start blickten sich viele Spieler verwundert um. Wo war denn das Benutzerinterface? Es gab keines und das aus gutem Grund. Entwickler Richard "Lord British" Garriott hatte sich bewusst dazu entschieden, keinerlei Interface auf dem Spielscreen zu zeigen. Natürlich konnte man den Status des Helden, das Inventar und Dialoge aufrufen. Doch grundsätzlich war außer der Landschaft und dem, was hier geschah nichts zu sehen - keine Leisten, keine Texte, keine Fenster. Und es funktionierte. Genau genommen erschuf Ultima VII damit eine noch tiefere "Immersion" als andere Spiele. Es gab nichts, was einen vom Spielgeschehen ablenkte, man war mittendrin.
Zeitprung ins 21. Jahrhundert. World of Warcraft und so gut wie alle MMORPGs gehen einen komplett anderen Weg. Es ist hier möglich, den Bildschirm mit Fenstern, Statusanzeigen, Texten, Nummern, Balken regelrecht zuzupflastern, sodass vom eigentlichen Spielgeschehen, der Landschaft und dem, was dort geschieht, nichts mehr zu sehen ist. Coregamer verteidigen dies damit, dass es wichtiger ist, den Überbelick über das Geschehen anhand dieser Texte, Balken und Fenster zu behalten, um effektiv spielen zu können. Doch geht nicht genau damit das verloren, was das Spiel eigentlich erreichen will? Der Spaß? Bestehen moderne Rollenspiele nur noch daraus, mit Zahlen und Fenster zu jonglieren, anstatt eine Landschaft zu erkunden und in diese Welt einzutauchen?
Dies führt zu der Frage, ob moderne (MMO)RPGs auch komplett ohne Benutzerinterface funktionieren würden. Zumindest aber mit einem UI, das nicht ständig sichtbar ist. Man stelle sich vor, dass deutlich mehr audiovisuelle Elemente benutzt werden müssten. Anhand von Wunden und wenn ein Monster hinkt und flieht, erkennt man, wieviel Schaden man ihm zugefügt hat. Dies gilt auch für Partymitglieder. Der Heiler müsste mehr darauf achten, wie die Spielfiguren aussehen und wie sich verhalten. Ein automatischer Hilferuf könnte auch signalisieren, dass jetzt geheilt werden sollte. Allerdings müssten die eigenen Lebenspunkte und das Mana irgendwo sichtbar sein. Eventuell könnte ein immer schneller werdender Herzschlag und ein rotes Nebelfeld signalisieren, wie viele Hitpoints man bereits verloren hat.
Das sind sicherlich mutige Vorschläge, die so vielleicht auch gar nicht in einem (MMO)RPG funktionieren können. Dennoch zeigte Ultima VII und dessen Nachfolger Ultima VIII, dass es hier geklappt hat und der Atmosphäre des Spiels sogar zuträglich war. Richard Garriott möchte nun mit seinem kommenden Online-Rollenspiel Shroud of the Avatar etwas ähnliches versuchen. Das Nutzerinterface soll so minimal wie möglich ausfallen. Es soll keine Balken oder Namen über Monstern zu sehen geben. Anhand von Wunden wird man erkennen, wie schwer verletzt die Feinde sind. Sollte dies funktionieren, könnte das den Fokus der Online-Rollenspiele wieder auf das Wesentliche lenken: spannende Abenteuer in einer anderen Welt erleben, die es zu erkunden gilt.
Ob die alteingessenen Spieler hier aber mitmachen, ist eine andere Frage, zu tief verankert sind aktuelle Spielmechaniken und zu hoch die Hürde, für etwas komplett Neues offen zu sein. Wünschenswert wären solche Innovationen aber allemal.