Der Tod eines Genres – Wer hat die MMORPGs ermordet?
Sind MMORPGs noch das, was sie ursprünglich sein wollten oder wurde das Genre inzwischen getötet?
Moment, wird sich der eine oder andere Leser bei dieser Überschrift denken. MMORPGs sind enorm erfolgreich. Es vergeht kein Jahr, in dem nicht neue MMOs angekündigt und veröffentlicht werden. Der Umsatz in diesem Genre steigt (nicht zuletzt dank Free2Play) von Jahr zu Jahr. Wieso sollten MMORPGs tot sein?
Mark Kern, der Geschäftsführer von Red 5 Studios meinte gegenüber dem Online-Magazin MMORPG.com: „Habt ihr diese furchteinflößende Casualisierung bemerkt, die heutige MMOs umgibt? Wann seid ihr das letzte Mal in einer Starterzone gestorben? Was ist aus den 40-Personen-Raids geworden, die man jetzt zu fünft absolvieren kann? Habt ihr wirklich noch dieses Gefühl, etwas auf dem Weg zum Endgame erreicht zu habe oder ist das Endgame das einzige Achievement geworden?“
Kern merkt an, dass die Verbesserung der Zugänglichkeit zu MMORPGs auch den Niedergang des Genres eingeläutet hätten. Spiele wie EverQuest oder Ultima Online, mit denen das Genre eingeläutet wurde, boten enorme Einstiegshürden sowie eine steile Lernkurve und viele Frust-Momente. Dies schreckte natürlich viele Spieler ab. Blizzard war eines der ersten Unternehmen, welche das Potenzial in MMOs erkannten und daran arbeiteten, die Spiele einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Und so legte World of Warcraft viele der Hürden ab, welche die vorherigen MMORPGs auszeichneten. Das Konzept ging auf und WoW wurde zu einem der erfolgreichsten Computerspiele aller Zeiten. Doch das hatte seinen Preis.
In Ultima Online war es beispielsweise möglich, so gut wie alles zu tun, was man tun wollte. Tiere jagen, Waffen schmieden, Erz abbauen, die Welt erkunden, anderen Spieler auflauern und sie überfallen, Häuser bauen... All das war sehr komplex umgesetzt, bot aber dennoch ungeheure Freiheiten. Nicht so in World of Warcraft. Der Pfad des Spielers ist deutlich begrenzter, man folgt einer Geschichte, man ist auf die Charakterentwicklung festgelegt, um das Balancing nicht zu zerstören. PvP ist nur in eingeschränktem Maß, meist auf speziellen Schlachtfeldern möglich. Dafür ist der Einstieg in das Spiel sehr einfach, man kommt schnell voran, hat schnell viele Erfolgserlebnisse.
Natürlich orientierten sich die meisten nachfolgenden MMORPGs an World of Warcraft, da einfach deutlich mehr Kunden damit angesprochen wurden. Doch die Freiheit, in einer anderen Welt zu leben und tun zu können, was immer mal will, wurde dem geopfert. Während es in den früheren Genre-Vertretern sehr schwer war, hohe Levels zu erreichen und alle Fertigkeiten zu meistern, geht das heutzutage sehr schnell. Das erst kürzlich angekündigte MMORPG MU Rebirth will es den Spielern sogar ermöglichen, innerhalb weniger Spielstunden das Maximallevel zu erreichen.
Dass es noch eine Nachfrage nach den Tugenden der "alten Zeit" gibt, bestätigen viele angekündigte Sandbox-MMORPGs, die jedoch hauptsächlich im Indie-Bereich erscheinen. Denn große Publisher scheuen nach wie vor davor zurück, allzu komplexe Spiele zu veröffentlichen. Ob dieser "Renaissance der Sandbox-MMOs" großer Erfolg beschieden sein wird, wird erst die Zeit zeigen. Daher fahren die großen Hersteller momentan eher auf Nummer sicher und setzen auf den Casualisierungs-Zug.
Geht dadurch aber nicht das Gefühl verloren, für das, was man erreicht hat, schwer gearbeitet zu haben? Ist man im Spiel noch etwas besonderes, wenn jeder schnell dasselbe erreichen kann? Erreicht man das Endgame in einem modernen MMORPG, kann man dann auf einen ereignisreichen Weg dorthin zurückblicken, der einem aufgrund der Hürden, die man gemeistert hat, in Erinnerung geblieben ist?
Wenn man MMORPGs also die Freiheiten und das Gefühl nimmt, hart für seine Erfolge gearbeitet zu haben, ist das, was übrig bleibt, immer noch ein MMORPG? Wenn nicht, dann wurde das Genre vielleicht inzwischen wirklich getötet.