Doktorspiele mit grünen Wurzeln
Wenn gegen Herzklappenklappern der Schraubenzieher, bei Schürfwunden ein Trostpflaster und bei Kampfadern nur noch die Friedenspfeife hilft, steht eines fest: Doktor Flauschling hat seine Finger im Spiel. Über 300.000 Nachwuchsärzte nach gerade drei Monaten waren für uns Grund genug, den Patienten KapiHospital auf Herz und Nieren zu untersuchen.
Vor inzwischen fast drei Jahren durften wir ein Spiel antesten, das ein bis dato noch völlig unverbrauchtes Szenario mit einem in jeder Hinsicht einzigartigen Spielkonzept verknüpfte. Das Spiel wurde zum Sprungbrett für den Entwickler Upjers, die Spieler rannten dem damals noch eher unerfahrenen Studio alle Türen ein. Rückblickend könnte man dieses Spiel gar als Wegbereiter moderner Social Games á la Farmville bezeichnen. Grafisch braucht sich Wurzelimperium auch heute nicht zu verstecken, die buddelnden und gießenden Gartenzwerge wurden jedenfalls schnell zum Kult-Bildschirmgehilfen.
Enthüllen die Entwickler aus Bamberg im bayrischen Oberfranken heute ein neues Game, kann man - überspitzt gesagt - bereits Wetten abschließen: Kapiland oder Wurzelimperium? Eines der beiden Spielprinzipien zieht sich wie ein roter Faden durch nahezu alle in den letzten Monaten bis Jahren veröffentlichten Upjers-Spiele. Klar, es gab auch hin und wieder Ausnahmen. Etwa vor gut einem Jahr mit Updinner, welches allerdings trotz vieler netter Ideen nie wirklich an den Erfolg seiner Geschwister anknüpfen konnte.
Der Name KapiHospital ließe zwar anderes vermuten, in der Tat übernimmt die Krankenhaus-Simulation jedoch große Teile des Wurzelimperium-Prinzips eins zu eins. Das Interface präsentiert sich mit dem bekannten Schachbrettgarten, der kurzerhand zur Krankenhaus-Etage umfunktioniert wude. Zu seiner Rechten findet der erfahrene Gärtner ebenfalls ein Regal mit wichtigen Utensilien (hier natürlich: Medikamente) und am unteren Bildschirmrand warten wie gehabt die Kunden, die nach erfolgter Behandlung von der zuständigen Schwester hemmungslos abkassiert werden.
Aufgelockert wird das im Grunde ja durchaus ernste Thema mit aberwitzigen Rettungseinsätzen, verrückten Krankheiten (Arbeitsallergie, Muskelkätzchen) und dem knuffigen Professor Flauschling. Insgesamt sollte man KapiHospital selbstverständlich nicht zu ernst nehmen. Unliebsame Kundschaft lässt sich nicht nur mit Todeswünschen aus dem Krankenhaus werfen, der gewiefte Geschäftsmann wird seine zu unprofitablen Gäste viel lieber den finsteren Herren der Patientenbörse anvertrauen – vielleicht findet sich ja irgend ein Anfänger, der gegen eine Handvoll Bares auch noch dem letzten Patienten die Wechselbalgjahre austreibt.
Ebenfalls nicht ganz neu ist die Idee der zwei mit einer Buslinie verbundenen Städtchen, die dem Chefarzt gegen Bargeld alles bieten, was das Herz begehrt. Da wäre etwa der fiese Dr. Knievel, selbsternannter Alptraum aller Mediziner und vermutlich einzige Kontaktperson einer fortschrittlichen Alienspezies, die gegen Bezahlung das Patientenaufkommen auf mehr oder weniger natürliche Weise über Nacht erhöht. Unspektakulärere Gebäude wie Apotheke und Medizinischer Großhandel stehen bei jedem Spieler auf der Tagesordnung. Ein eigenes Privatauto vom Autohändler hingegen ist schon wahrer Luxus und den Premiumspielern vorbehalten.
Möchte ich nun im Krankenhaus einen der Patienten behandeln, ziehe ich ihn einfach am Kragen in das korrespondierende Zimmer. Dass sich ein gebrochenes Bein nicht in der Telefonzelle behandeln lässt, erklärt sich von selbst. Viel mehr hat jeder Raum eine bestimmte Auswahl an Krankheiten, die sich genau dort auskurieren lassen. Am Anfang müssen wir uns noch auf den klassischen Behandlungsraum beschränken. Mit aufsteigendem Level erhalten wir jedoch die Möglichkeit, Baupläne für weitere Räume mit den unterschiedlichsten Funktionen in Bruchberg – einer der beiden erwähnten Städte – zu erwerben.
Das notwendige Platzschaffen durch Müllbeseitigung stellt ein doch sehr konstruiert wirkendes Überbleibsel der Gartensimulation dar. Bevor wir unsere neuen Räume plazieren können, müssen wir nämlich Feld für Feld kostenpflichtig von altem Gerümpel freiräumen lassen. Haben wir den Raum platziert, können wir die pixeligen Bauarbeiter auch schon bei der Arbeit begutachten. Die Möglichkeit, jeden Raum mehrfach auszubauen, erinnert da schon eher an eine Wirtschaftssimulation der Kapi-Reihe.
Fazit KapiHospital hat durchaus seine Schwächen. Die Anfangsphase etwa zieht sich unnötig monoton in die Länge und spielerisch mag vieles nicht zu hundert Prozent auf das Genre ausgelegt wirken. Wir behaupten trotzdem: KapiHospital ist der interessanteste Ableger eines Hits seit langem. Wer MyFreeFarm als seelenlose Weiterentwicklung des Wurzelimperiums ansah, kommt durch KapiHospital womöglich schnell mit Upjers ins Reine. Denn eines der erfolgsreichsten Casual-Spielprinzipien derart plausibel in ein völlig anderes Genre zu versetzen – das schafft garantiert nicht jeder. |