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Internationalisierung von Browsergames

Internationalisierung von Browsergames

Internationalisierung war für die deutschen Browsergame-Entwickler von Anfang an ein großes Thema, zwar kommen Browsergames auf dem heimischen Markt sehr gut an, dieser ist jedoch auch extrem stark umkämpft. Ausländische Märkte versprechen dagegen nach wie vor großes Wachstumpotential. Wir haben mit Tung Nguyen-Khac von der Beratungsagentur nexxter über die Internationalisierung von Browsergames, besonders in Hinblick auf die besonders interessanten asiatischen Märkte, gesprochen.

Galaxy-News:  Hallo, stell dich den Lesern doch bitte kurz vor.

























Tung Nguyen-Khac:  Ich bin einer von 3 Gründern und Managing Partner von nexxter. Unser Fokus sind Consulting-, Business Development- und Lizenz-Dienstleistungen im Umfeld der Gaming Industrie sowie die Vermarktung von Werbeplätzen in Online-Spielen. Derzeit sind wir intensiv mit dem Business Development und dem Lizenzgeschäft für Asien stark eingebunden, da wir in China eine Beteiligung an einem chinesischen Portal und Publisher (www.sansedao.com) eingegangen sind. Im Moment lokalisieren wir mit Bigpoint deren Seafight-Spiel, um in 1-2 Monaten einen Relaunch zu starten. Für das Sansedao-Portal haben wir in 2008 drei chinesische Browserspiele lizenziert und dort auf den Markt gebracht. In 2009 werden wir zwischen 5-8 Titel auf den Markt bringen (in der Pipeline haben wir mehr), wobei ca. die Hälfte  westliche Browserspielen sein sollen.

Galaxy-News: Wir sollten zunächst mal über Internationalisierung im Allgemeinen reden. Wie muss sich der Laie das vorstellen? Heißt Internationalisierung schlicht und einfach,  ich erstelle eine englische Version als Grundlage für weitere Versionen, die möglicherweise sogar von Spielern in die jeweilige Muttersprache übersetzt werden?

Tung Nguyen-Khac: Leider nein. In der Regel ist die Internationalisierung von Spielen deutlich komplexer und aufwendiger wenn man bestrebt ist, ein richtig gutes Produkt in den Markt einzuführen. Eine gute Übersetzung ist auf jeden Fall ein wichtiger Bestandteil.
Innerhalb von Regionen (z.B. Europa), in denen Länder einen ähnlichen Kulturhintergrund haben, kann man sich wahrscheinlich auf eine gute umgesetzte Übersetzung beschränken. Dabei kann eine bereits existierende englische Sprachversion sehr hilfreich sein, da - bezogen auf Spiele mit deutschen Wurzeln - es meistens deutlich mehr Übersetzer gibt, die z.B. von Englisch ins Portugiesische übersetzen können, als z.B. aus dem Deutschen ins Portugiesische.

Wichtig aber ist, dass der/die Übersetzer/in ein gutes Gefühl für das Gaming hat oder sich diesbezüglich gut einarbeiten kann und damit auch in der Lage ist, die individuelle Sprache der landesbezogenen Gamercommunity zu erfassen. Begibt man sich aber in Regionen, die einen deutlich differenzierten Kulturhintergrund und -Geschichte haben (z.B. Asien), gilt  oftmals: eine gute Übersetzung ist essentiell, aber nur ein Baustein innerhalb eines komplexen Projektes, in dem, Ein- und Hinführung ins Spiel, Grafiken, Game Balancing, Pricing, Geschäftsmodell, Payment, etc. noch hinzukommen, also diesen Punkten größere Beachtung geschenkt werden sollte. 

Galaxy-News: Wie wichtig ist Internationalisierung heutzutage überhaupt, kommt man auch ohne aus? Ist der deutschsprachige Raum, vor allem monetär betrachtet, nicht der wichtigste Markt?

Tung Nguyen-Khac:  Bezogen auf Computerspiele, gehört der deutsche Markt ganz klar zu den größten und wichtigsten Absatzregionen der internationalen Computerspieleindustrie.  Ich denke, dass Deutschlands wirtschaftliche und demographische Rahmenbedingungen für die Gameindustrie schon ideal sind.
Allerdings weckt dies die Begierde aller Marktteilnehmer. Insofern hat in den letzten Jahren die Wettbewerbsintensität deutlich zugenommen und in bestimmten Bereichen kann man bereits eine gewisse Marktsättigung beobachten. Das gilt insbesondere für die Browsergames, die ja besonders von deutschen Entwicklern geprägt wurden.  Bigpoint, Travian Games, Gameforge und Innogames haben sich von kleinen Startups zu Hidden Champions entwickelt und werden immer mehr zu relevanten Playern im internationalen Online Gamingmarkt.  Mir ist kein Land bekannt, in denen es so viele Entwickler von Browsergames gibt und die auch über die deutschen Landesgrenzen hinweg sehr erfolgreich sind.  Beachtlich finde ich, dass sie auch auf der technologischen Seite zu den führenden Innovatoren gehören - weltweit. Aber geht es um organisches Wachstum und das Erzielen von Skaleneffekten, dann reicht auch für diese der deutsche Markt schon lange nicht mehr aus; sprich, um weiterhin dynamisch in Bezug auf Anzahl der Spieler, Umsatz und Profitabilität zu wachsen, ist - neben der Entwicklung von neuen Spielen - die Internationalisierung unabdingbar.

Galaxy-News: In letzter Zeit, wird gerade der asiatische Markt immer populärer, was zeichnet diesen Markt aus und wo liegen hier die Fallstricke?

Tung Nguyen-Khac:  Nahezu alle Expertenprognosen (PWC, DFC, McKinsey, etc.) gehen davon aus, dass für die Gameindustrie die asiatische Region (exklusive Japan) der größte Wachstumsmarkt sein wird. Spätestens 2010 wird Asien ein Marktvolumen erreichen, das vergleichbar mit dem amerikanischen ist, und diesen in 2011 sogar deutlich übertreffen. Das Potential ist immens, allein die hohen Bevölkerungszahlen (z.B. China: ca. 1,3 Mrd., Indien: 1,2 Mrd., Indonesien: 180 Mio.) bieten eine natürliche Wachstumsbasis. Hinzu kommt, dass z.B. die asiatischen Männer eine natürliche Affinität zum Gaming und Gambling haben und die Spieleleidenschaft in der kulturellen DNA der Asiaten steckt. Auch ist der Frauenanteil unter den Nutzern deutlich höher im Vergleich zum Westen (schätzungsweise 30-35% in Asien vs. 90% im Westen).
Abgesehen von Japan spielen Konsolenspiele in dieser Region eine untergeordnete Rolle, da historisch bedingt in den asiatischen Ländern Online-Multiplayerspiele das meist gespielte Genre darstellen und insbesondere Rollenspiele (MMORPGs) sehr populär sind. Die Mehrheit der dort angebotenen Spiele basieren mittlerweile auf dem Prinzip, dass die Spiele erstmal kostenfrei gespielt werden können, verdient wird auf Developer / Publisher Seite durch den Verkauf von virtuellen Gütern.

Spielen ist ein gesellschaftliches Ereignis, gerne verabredet man sich zum Spielen mit- und gegeneinander in Internet Cafes (vergleichbar hier mit einem abendlichen Gang in die Kneipe oder Disco).Das enorme Marktpotential weckt natürlich weltweit die Begierde aller Developer und Publisher. Aber der Markteintritt ist in den wichtigsten und attraktivsten Märkten kein Selbstläufer. Ganz wichtig ist, dass in Asien die Geschäfte mit einem langfristigen Hintergrund geplant und umgesetzt werden müssen. Das kann man zwar auch in den interkulturellen Ratgebern nachlesen, aber die Erfahrung zeigt, dass man es immer wieder betonen und darauf hinweisen muss. „Hit and Run-Strategien" werden i.d.R. keinen Erfolg zeigen. Man sollte sich lieber Zeit und Geduld nehmen, wenn man dann die Früchte erntet, dann kann die Ernte auch deutlich besser sein. 

Südkorea gehört sicherlich zu den Gamingmärkten, in denen die Wettbewerbsintensität am höchsten ist. Ebenso wie China wird dieser Markt protegiert, wobei in China die formalen und infrastrukturellen Hürden noch mal deutlich höher sind, will man als deutscher Anbieter dort seine Spiele einführen. Eine Vielzahl von Gesetzen und Regulierungen stellen beachtliche Markteintrittsbarrieren dar und zu beachten sind unterschiedliche Herangehensweisen im Marketing, Kundengewinnung und -betreuung.

Galaxy-News: Nimmt China eine Sonderstellung innerhalb des asiatischen Marktes ein?

Tung Nguyen-Khac:  Ja, ganz klar ist China, wenn man von der Volksrepublik China spricht, der bei weitem attraktivste Markt. Dazu kommen HongKong und Taiwan, also Greater China und mit Einschränkung dann auch Singapur. In diesen Ländern leben Chinesen, wobei sich die Sprachdialekte z.T. deutlich unterscheiden und die Länder unterschiedliche Reifegrade in ihren Volkswirtschaften aufweisen, d.h. es sind auch unterschiedliche Herangehensweisen in der Markterschließung notwendig.  Die VR China ist von der Bevölkerungszahl ganz klar der größte und attraktivste Markt in der asiatischen Region. Trotz der noch niedrigen Internetpenetration nutzen bereits mehr als 200 Mio. Menschen das Internet. Geschätzt wird, dass in etwa ein Drittel davon gerne und regelmäßig den Onlinezugang zum Spielen nutzt. Also immerhin mehr als 60 Mio. Menschen, eine Zahl, die in den kommenden Jahren noch stark wachsen wird, da bis 2011 die Internetpenetration bei über 30% liegen wird. Trotz des international niedrigen Haushaltsnettoeinkommens ist das Medienbudget für Onlinespielen recht hoch. Ich selbst habe einige Spieler interviewt, die zwischen 10-15% (in diesem Fall bis zu EUR 1.500) ihres Jahreseinkommens für das Spielen ausgeben. Spiele wie Zenthu erzielen ARPUs (Payuser), die deutlich über 35 EURO pro Monat liegen. Generell ist auch zu beachten, dass man in China von deutlich höheren Größenrelationen ausgehen muss. Eine Kennzahl, die vielleicht eine gute Aussagekraft hat sind die Peak Concurrent Users (PCU), also die bislang höchste Zahl an gleichzeitig spielenden Gamern pro Spiel.  Das bislang erfolgreichste Spiel von Giant wies eine PCU von rund 2,2 Mio. Gamern aus, zum Vergleich, die chinesische Version von World of Warcraft kommt im bei PCU auf ca. 1,2 Mio. Gamer. Damit wird vermutlich deutlich, dass z.B. auch bei der technischen Infrastruktur (Anzahl von einzusetzenden Servern) man von deutlich höheren Nutzerzahlen ausgehen kann, als z.B. in Deutschland - vorausgesetzt, das Spiel findet Anklang und wird von vielen gespielt.

Galaxy-News: Gibt es - was die Internationalisierung angeht - Unterschiede das Genre betreffend? Bzw. gibt es ein Genre das überall „funktioniert" oder sich besonders eignet?

Tung Nguyen-Khac: Es verhält sich hier ähnlich wie Film- und TV-Genres. Fantasy und Science Fiction, wie man ja schon bei WoW sieht, sind interkulturell erfolgreich. Historische Stoffe sind schwerer einzuschätzen. Einerseits gibt es land- bzw. kultureigene historische Hintergründe, die bevorzugt werden, aber anderseits gibt es auch historische Themen, die interkulturell funktionieren, wie z.B. Travian. Sportgenres orientieren sich an den Favoriten in den Kulturräumen. So kann ein Basketball-Manager in Deutschland sicher nur ein kleine Gemeinde an Spielern begeistern, in USA oder Asien jedoch Mainstream sein.  Allgemein gilt, dass die in Deutschland sehr beliebten Manager- und Strategiespiele im Ausland auf geringeres Interesse stoßen. Dort werden Action und Kampfspiele bevorzugt.

Galaxy-News:  Was, wenn ein Entwickler die "Folgekosten" nicht tragen kann oder will. Man denke etwa an den Support, der ohne einen Muttersprachler im Team im Prinzip unmöglich ist. Bleibt hier  nur der Gang zu einem der großen Publisher oder gibt alternative Teams, die sich auf das Thema Internationalisierung spezialisiert haben.

Tung Nguyen-Khac:  Es ist grundsätzlich ratsam, wenn man in Kulturräume expandiert, die größer Anpassungen und Support benötigen, einen lokalen Geschäftspartner vor Ort zu haben. Das kann sowohl ein Developer, aber auch ein Publisher oder ein Portal sein. Wir haben festgestellt, dass die Mischung von lokalen Wurzeln und ein gutes Netzwerk mit dem entsprechenden Track Record eine gute Basis darstellen. Zudem gibt es, wie ich bei China schon beschrieben habe, staatliche Reglementierungen, die es kaum oder unmöglich machen, ohne lokalen Partner zu agieren. Diese können einem helfen, wie man Lizenzen beantragt und auch bekommen kann.  Das gilt insbesondere für Asien, wo nicht nur in China stark reglementiert wird, sondern auch Länder wie Südkorea, Singapur, Malaysia, Indonesien, etc. Wir von nexxter sind dort bereits seit ca. drei Jahren mit Gamingprojekten aktiv und bieten die Erfahrung und das dadurch erworbene Know-How auch anderen an. Neben unserer Gamingkompetenz, sehen wir in Bezug auf Asien einen weiteren USPs darin, dass wir diese Region bereits seit Mitte der 90er Jahre intensiv beobachten - auch ausserhalb der Medien- und Gamingbranche. Meine Empfehlung wäre, es nicht auf eigene Faust zu versuchen. Am besten mit einem Partner, wobei es definitiv nicht einer der großen Publisher sein muss. Ganz im Gegenteil. Wenn man bspw. mit Shanda oder Giant (Anm. d. Autors: gehören zu den größten Gamingunternehmen in der VR China) zusammenarbeitet, dann ist man zum einen nur eine kleine Nummer. Zum anderen gab es in der Vergangenheit durchaus einige Fälle im Bereich der großen Publisher, wo die unerlaubte Nutzung von Quellcodes, Ideen, etc. leider vorkamen. In den genannten Fällen saß der chinesische Partner aufgrund seiner Größe am längeren Hebel. „Recht haben und Recht bekommen" kann dann äußerst schmerzhaft und teuer werden - vorausgesetzt, man kann sich durchsetzen.
Aus unserer Sicht und Erfahrung empfehlen wir die Auswahl eines vertrauenswürdigen Partners, der Kompetenz und Track Record nachweisen kann, die Mentalität und Sprache des Westen gut versteht und auf „gute" internationale Referenzen verweisen kann. Ich kann es nicht oft genug betonen, aber klar sollte auch sein, dass in Asien das Geschäft langfristig aufgebaut werden soll.  Lieber etwas mehr Zeit, Geld und Geduld investieren, dann lassen sich auch nach hinten heraus langfristige Umsätze und Gewinne erzielen.  Gerne unterstützt nexxter interessierte Developer und Publisher bei Interesse an Asien mit Studien, Business Development sowie bei der Lizenzierung.



Galaxy-News:  Vielen Dank für das Interview.

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