mmofacts.com

Interview mit Rudolf Bucklisch über Computerspiele für sehbehinderte Menschen

Interview mit Rudolf Bucklisch über Computerspiele für sehbehinderte Menschen

Wir haben mit Rudolf Bucklisch, Gründer von RB-Games und Erfinder des Browsergames Weltfußballmanager über barrierefreie Spiele gesprochen.

MMOFacts: Herr Bucklisch, Sie entwickeln Browsergames für sehbehinderte Menschen. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen? Haben Sie selbst eine Sehbehinderung?

Rudolf Bucklisch: Also auf die Idee zu Weltfussballmanager.de bin ich gekommen vor sieben Jahren, weil ich selbst gerne Fussballmanager spiele und gemerkt habe, das viele Browsergame leider nicht so blindentauglich sind, damit auch jemand wie ich diese spielen kann. Ja ich bin von Geburt an gesetzlich erblindet, sprich ich verfüge über einen Sehrest von 1,5% von 100% einer normalen Sehkraft.

MMOFacts: Wie groß ist der Markt für Computerspiele für sehbehinderte Menschen?

Rudolf Bucklisch: Der Markt ist noch sehr klein, weltweit beschäftigen sich mit mir und meinem Team nur sieben weitere Personen weltweit gezielt mit blindentauglichen Spielen. Wobei zu berücksichtigen ist, das RB-Games und Weltfussballmanager.de  sich von den anderen sechs so weit unterscheidet, weil wir uns nicht nur auf ein Spiel für sehrbehinderte und erblindete Menschen konzentieren, sondern auch für nichtbehinderte, also sehende Menschen und somit auch eine soziale Brücke zwischen behinderten und nicht behinderten Menschen sind.

MMOFacts: Wie entwickeln Sie ein Spiel für sehbehinderte Menschen? Wie gehen Sie hier vor und worauf muss man bei der Entwicklung besonders achten?

Rudolf Bucklisch: Ehrlich gesagt ist das gar nicht so einfach, weil wir ohne Investoren arbeiten und uns so die finanziellen Mittel dazu fehlen, alle Aspekte einer Erblindung zu berücksichtigen. In erster Linie entwickelt mein Entwicklerteam, bestehend aus Christoph Bitzner und Christoph Aschberger ein Feature zweigleisig. Einmal für das sehende Auge und einmal eben barriere frei. Da wir erblindete Mitspieler haben, geben diese uns ein Feedback, ob man es nutzen kann oder nicht. Wenn nicht, bastelt mein Team so lange daran, bis es nutzbar ist. Dabei sind natürlich die Grundregel der Barrierefreiheit zu beachten, wie z.B kein Flash.

MMOFacts: Vielleicht des besseren Verständnisses wegen: Wie kann man es sich vorstellen, wie ein sehbehinderter Mensch ein Computerspiel spielt?

Rudolf Bucklisch: Es gibt Programme wie Blindows, welches ein Betriebssystem in Anlehnung an Windows ist und durch eine Sprachausgabe einem vermittelt, was ein anderer auf dem Bildschrim sieht. Deswegen haben wir im Spiel bei allen Bildern einen Blindtext, der dem User sagt, was für ein Bild es ist. Dann gibt es Programme, die Wörter in Blindenschrift umsetzt und dann der erblindete via Braillschrift die Wörter übersetzt bekommt.

MMOFacts: Können Sie uns etwas zur Spielerzahl bei Ihren Games für sehbehinderte Menschen sagen?

Rudolf Bucklisch: Nein, eigentlich nicht und das wollen wir auch gar nicht. Wir wollen im Spiel von Weltfussballmanager keine zwei Klassengesellschaft haben, die sagt: "Vorsicht User Prinzy ist blind". Sprich die Mitspieler wissen oft gar nicht, das sie gerade gegen einen Menschen mit Behinderung spielen oder sich mit einem erblindeten Menschen unterhalten. Das ist gut so, um keine Vorurteile aufzubauen. Wir haben einige User, darunter auch meine Person, die sich natürlich outen, um anderen Personen es zu erleichtern. Gegenüber unseren WFM und RB-Games Team outen sich natürlich einige User, weil wir auch Telefon- und Skype-Support anbieten. Im übrigen auch für unsere sehende Kundschaft. Unser Support-Team inklusive Webmaster ist fast 24 Stunden erreichbar und wir nehmen uns auch mal 2 bis 3 Stunden für einen User Zeit für eine persönliche Einweisung ins Spiel. Das tolle daran ist, das wir auch innerhalb unserer Forumscommunity einige User haben, die uns im Support unterstützen, ohne das sie offiziell ein Teil vom Team sind. Nicht selten kommt dann die Frage: "Wie Du bist blind?, Ist mir gar nicht so bewußt geworden!". Gerade wenn wir User-Treffen abhalten und einige neue dazu kommen, mache ich mir gerne den Spass und oute mich nicht als Webmaster, was mir auch keiner zu traut, wenn er meinen Blindenstock sieht.  Um so größer dann die Überraschung für den User und so ist oft dann auch das Eis gebrochen.

MMOFacts: Welche Einschränkungen gibt es dabei, was ein barrierefreies Spiel den Spielern bieten kann?

Rudolf Bucklisch: Wir haben mehrere Einschränkungen. Zum einen können wir nur das investieren, was wir erschwirtschaften und brauchen eben Menschen wie unseren Supporter Stephan Tecklenburg die ehrenamtlich Aufgaben übernehmen oder Programmierer wie Bitzner und Aschberger, die eine kleine Aufwandsentschädigung erhalten, je nach dem wie die "Kriegskasse" gefüllt ist, aber meistens sich einfach die Zeit nehmen für die Gute Sache und unentgeldlich für uns entwickeln. Dann müssen wir zweigleisig fahren. Wir entwickeln einmal für den "normalen" Mitspieler, wo natürlich auch fürs Auge entwickelt werden muss und einmal für den erblindeten Mitspieler. Das heißt, wir können nicht monatlich neue Features bringen, weil wir jede Änderung praktisch zwei mal entwickeln. Das braucht natürlich seine Zeit und nicht selten erhalten wir dann den Vorwurf von Mitspielern: "Hier tut sich ja gar nichts!" Außerdem brauchst du ein sehr starkes Team, das sich in erblindete oder sehbehinderte Menschen hinein versetzen kann. Während wir beim sehenden oft mal sagen: "Mach die Augen auf, das steht doch dort!", müssen wir bei sehschwachen Mitspielern eine Beschreibung liefern und der Support dauert dann auch viel länger und ist intensiver.

MMOFacts: Es ist also möglich, dass sehbehinderte und nicht sehbehinderte Menschen gemeinsam spielen?

Rudolf Bucklisch: Genau das ist der Punkt was wir mit Weltfussballmanager.de erreichen möchten. Es gibt Spiele für sehende Menschen, wenige Spiele für erblindete und noch weniger Spiele wie eben Weltfussballmanager, welche für beide Gruppierungen gedacht sind. Unser Ziel ist es eben eine Gemeinschaft zuschaffen, wo eine Erblindung oder eine andere Art von Behinderung gegenüber dem gesunden Menschen keine Rolle spielt. Wenn uns das gelingt und sei es auch nur für ein paar Minuten pro Tag wo die User miteinader spielen, haben wir viel erreicht. Das heißt aber auch das wir uns mehr und mehr mit Blindentechnik beschäftigen müssen und auf Hilfe angewiesen sind. Weltfussballmanager hat erst den Grundstein gelegt und ist noch nicht einmal 10% in seiner Entwicklung wie wir uns das vorstellen, weil auch für uns vieles Neuland ist. Ein Spiel pauschal blindentauglich zu machen ist eine Sache, wir arbeiten lieber mit den Usern und holen uns Feedback von denen, die das brauchen, weil sie WFM spielen.

MMOFacts: Vielen Dank für Ihre Zeit.

Rudolf Bucklisch: Ich habe mich zu bedanken, dass Sie sich uns annehmen, weil wir schon oft gegen eine Wand gefahren sind und unser Vorhaben auf mangeldes Interesse gestoßen ist. Um so mehr freue ich mich, ab und an doch Anklag zu finden. Um so mehr freuen wir uns auch, dass immer mehr prominente Persönlichkeiten aus dem Fussball uns mit Ihren Namen untersützten, um vielelicht mehr User für ein tolles Projekt zu begeistern.

 

Über Rudolf Bucklisch:
Rudolf Gerhard Bucklisch hat 2005 den Weltfussballmanager erfunden und 2007 die Firma RB-Games gegründet. Von Beruf ist er Bürkokaufmann der Kommunikation und Organisation und seit seiner Geburt mehrfachbehindert. Mit Weltfussbalmanager ist ihm gelungen, seine Behinderungen (geseztlich blind, Hasenscharte, Höreinschränkung und fehlendes rechtes Auge) zu akzeptieren. Er ist 42 Jahre alt, lebt in Kitzingen und bildet mit seiner 14 jährigen Katze Prinzy (ist auch sein Nick im Spiel) eine Wohngemeinschaft. Um Weltfussballmanager zu finanzieren, arbeiter er mehrfach im Monat bei der Taxizentrale in Kitzingen auf 400 Euro Basis.

Mehr zu Weltfussballmanager

Datenbank

Artikel

Eine Diskussion starten