Neues Familienmitglied: Travian Games gründet weiteres Studio
Travian Games entwickelt nun schon mehrere Jahre Browserspiele, die auch im Ausland sehr beliebt sind. Das Motto lautet wohl "Klasse statt Masse", denn man hat sich dabei auf wenige, qualitativ hochwertige Spiele konzentriert. Der Erfolg spricht für sich. Mit TG-Nord wurde nun ein zweites Enticklungs-Studio gegründet. Wir haben mit TG-Nord Geschäftsführer Björn Lilleike über das neue Studio und dessen Rolle in der Firmenstrategie gesprochen.
Galaxy-News: Du bist Geschäftsführer der TG-Nord GmbH, dem neu gegründeten Entwicklungsstudio von Travian Games. Manche werden dich vielleicht als Kolumnist bei uns kennen, stell dich bitte trotzdem kurz vor. Wie bist du zu Browsergames gekommen?
Björn Lilleike: Hallo, ich bin Björn Lilleike, 33 und seit 1999 in der Spielentwicklung tätig. Als Game Designer für PC-Spiele habe ich überwiegend an Aufbauspielen wie Port Royale und Anno 1701 mitgearbeitet. Für Browserspiele interessiere ich mich seit etwa drei Jahren und daran faszinieren mich vor allem die spielerischen Möglichkeiten, die sich für das Genre aus Massive-Multiplayer-Konzepten eröffnen. Hier befindet sich die Branche erst am Anfang und ich möchte einige der Möglichkeiten ausloten.
Galaxy-News: Wie unterscheiden sich Massively-Multiplayer-Spiele von klassischen Computerspielen wie dem von dir genannten Anno?
Björn Lilleike: Die Persistenz der Spielwelt, das heißt ihr Bestand - vor allem aber ihre Veränderung in der Abwesenheit eines Spielers macht den Unterschied aus. Wer einmal komplexere Brettspiele gespielt hat, der weiß wie schwer gemeinsame Spielzeiten zu organisieren sind. Die Einigung auf einen Raum ist dabei das geringste Problem, weshalb klassische Multiplayermodi über das Internet keinen Vorteil bieten. Das gemeinsame Spiel zu unterschiedlichen Zeiten ist das Killerfeature persistenter MMOs im Strategiegenre. Hier haben Browserspiele zwei Vorteile gegenüber klassischen PC-Spielen: Für den ersten muss ich etwas ausholen. Vor einigen Jahren gab es bereits einen Online-Boom in der Spielebranche. Damals wurde viel Geld investiert, um neben den erfolgreichen Rollenspielen andere Genres massively multiplayer zu probieren. Viele wurden noch in der Entwicklung oder kurz danach eingestellt. Die Kosten für weitere Experimente wären horrend hoch, wenn das Produkt grafisch an den Offline-Titeln wie Anno gemessen wird. Eins zu Null für Browserspiele - spielerische Experimente sind wesentlich günstiger zu haben und kleinere Fehler leichter zu korrigieren. Vorteil Nummer Zwei ist eine echte eigene Stärke - die Plattformunabhängigkeit ist ungemein nützlich, um sich nur einmal schnell vom Zustand der eigenen Spielsituation überzeugen zu wollen.
Galaxy-News: Wie hat es dich nun zu Travian Games verschlagen?
Björn Lilleike: Über Travianer, das übrigens gerade seine Tore geöffnet hat, ergab sich der erste Kontakt. Dort habe ich im Sommer einen Blick von außen eingebracht, um das Spiel zu optimieren. Das Streben nach der Topqualität hat mich von Travian Games überzeugt. Aus der Zusammenarbeit entstand auch die Idee, etwas gemeinsam zu bewegen.
Galaxy-News: Warum gründet Travian Games ein externes Entwicklungsstudio auf der anderen Seiten von Deutschland? Wäre es nicht einfacher ein weiteres Team in München zu anzusiedeln?
Björn Lilleike: Einfacher wäre es vielleicht gewesen aber nicht unbedingt besser. Die räumliche Trennung stärkt die Unabhängigkeit des Teams und sein WIR-Gefühl. Unsere Ziele sind hoch gesteckt: Wir wollen nicht weniger als Grafik endgültig in den Dienst des Gameplays zu stellen. Ein eigenständiges Team kann sich viel besser auf dieses anspruchsvolle Ziel konzentrieren.
Galaxy-News: Meinst du diese Ziele lassen sich mit einem Browsergame verwirklichen? Gerade in Sachen Grafik bietet dieses Genre doch die wahrscheinlich schlechtesten Voraussetzungen?
Björn Lilleike: Vor ein paar Jahren waren Traffickosten und Bandbreite unüberwindliche Barrieren, die inzwischen kaum noch ein Thema sind. Im Browser gibt es zahlreiche vielversprechende Technologien und die Rechner auf beiden Seiten werden auch immer schneller. Nun gilt es, die Möglichkeiten auch spielerisch reizvoll auszuschöpfen. Erste Ansätze gibt es bei Browserspielen längst, es fehlt aber noch der Durchbruch. Bei PC-Spielen gab es die selbe Entwicklung von textorientierten Spielen über Spiele mit dekorativen Grafiken hin zu grafischen Spielen. Der derzeit limitierende Faktor sind alleine die Projektgrößen; eine glaubwürdige interaktive Spielumgebung ist wesentlich aufwändiger zu gestalten als einfach die vorhandenen Optionen als Liste mit Bild hinzuknallen.
Galaxy-News: Euer Firmensitz ist Hannover. Nach welchen Kriterien wurde der Standort ausgewählt?
Björn Lilleike: Hannover ist verkehrstechnisch ziemlich gut erreichbar, nicht nur von München aus. Es bildet einen guten zweiten Pol innerhalb Deutschlands. Und als Nordlicht - ich komme ursprünglich aus Hamburg - ist es mir natürlich auch persönlich wichtig, die Nähe zur Küste nicht zu verlieren.
Galaxy-News: Wie groß ist das Team in Hannover bereits? Wie viele Leute sollen dort einmal arbeiten? Sucht ihr noch Verstärkung?
Björn Lilleike: Wir suchen. Vor allem suchen wir noch Flash/Flex- und Java-Programmierer, die ihr Hobby zum Beruf machen und Teil eines professionellen Teams werden wollen. Professionell heißt nicht nur Vollzeit vor Ort in unserem schönen Innenstadtbüro sondern auch mit Konzept und Projektplan zu arbeiten. Professionell heißt aber zum Glück auch, dass die Rahmenbedingungen stimmen und wir trotzdem viel Spaß haben.
Galaxy-News: Gibt es schon ein konkretes Projekt? Woran arbeitet ihr aktuell?
Björn Lilleike: Auf absehbare Zeit wird es bei uns nur ein Projekt geben, dem wir dafür unsere ganze Aufmerksamkeit widmen. Eine schöne isometrische Grafikengine haben wir bereits, ein stimmiges Konzept sowieso aber bis zur Veröffentlichung müsst ihr euch noch knapp ein Jahr gedulden. Was manchem Browserspielentwickler wie eine Ewigkeit vorkommen mag ist unserer Planung nach notwendig für die gewünschte Qualität. Aber ihr werdet hier ganz sicher vorher schon Einblicke ins Spiel präsentieren können - nur eben noch nicht heute.
Galaxy-News: In welcher Rolle siehst du TG Nord auf dem Markt? Werdet ihr eure Spiele selbst betreiben? Wie abhängig seit ihr von der Mutterfirma?
Björn Lilleike: Wir sind froh, mit Travian Games einen international so erfahrenen wie erfolgreichen Partner zu haben. Uns verbindet die Leidenschaft für hochwertige und unverwechselbare Spiele. Als Entwickler zählt für uns zunächst nur die Wahrnehmung des Spiels; wenn wir auch als Firma einen guten Ruf aufbauen können, ist unser Konzept voll aufgegangen.
Galaxy-News: Wie stehst du zur bei Browsergames stark ausgeprägten Hobby-Szene? Wie beeinflusst die noch große Zahl qualitativ niedriger Spiele die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit?
Björn Lilleike: Die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit scheint derzeit vor allem geprägt durch die wirtschaftliche Wachstumsperspektive des Marktsegments. Es wird viel zu viel über Geld nachgedacht und viel zu wenig über die Spiele. Nach meiner Beobachtung höhlt sich die Hobby-Szene dabei zunehmend selbst aus. Viele, die sich selbst als Hobbyentwickler bezeichnen, schielen mit mindestens einem Auge auf die Vermarktung und eifern mindestens unterbewusst kommerziellen Anbietern nach. Sie verlieren die Ungezwungenheit eines Hobbys ohne sich jedoch nüchtern mit den realen Marktbedingungen auseinander zu setzen. Sie laufen Gefahr, sich im ungleichen Kampf gegen vielfach überlegene Budgets in Entwicklung und Vermarktung selbst auszubeuten und zunehmend frustriert zu werden. Ich persönlich kann jedem nur dringend raten, die Frage nach der Leitmotivation für sich selbst absolut eindeutig zu beantworten. Entweder ist es ein Hobby oder eine berufliche Perspektive. Letztere sollte man dann aber auch ganz nüchtern nach Chancen und Risiken bewerten bevor man Stunden um Stunden seines Lebens investiert.
Was die zweite Frage angeht, beziehst du dich sicher auf unser Gespräch während der bgc dieses Jahr und möchtest eine öffentliche Konkretisierung. Tatsächlich erschwert meiner Meinung nach die schiere Masse an Spielen sogar schon die Beurteilung ihrer Qualität. Der Markt ist sehr unübersichtlich und es existiert praktisch kein Kriterium, an dem sich Spieler halbwegs zuverlässig orientieren könnten. Charts lassen sich mit etwas Engagement der Community Manager leicht von jedem größeren Spiel erstürmen, unabhängige Tests gibt es nicht und nach den Bewertungen der Spieler kann man auch nicht gehen, weil allzu oft Privatfehden aus dem Spiel in den Foren ausgetragen werden. Diese Lücke schließen die großen Betreiber derzeit alleine - indem sie die Spieler durch ein großes Portfolio möglichst exklusiv an sich binden. Besser wären unabhängige Portale mit kritischer Berichterstattung. Die Initiative dazu können jedoch nicht die Entwickler übernehmen, da wäret eher ihr gefragt ein Konzept zu entwickeln.
Galaxy-News: Externe Studios nach dem Vorbild der Computerspieleindustrie gibt es in Deutschland noch recht wenige. Glaubst du, euer Modell wird in Zukunft verstärkt Nachahmer finden?
Björn Lilleike: Das Modell ist nicht das Entscheidende. Es ist nur Vehikel für ein gemeinsames Ziel in dieser speziellen Situation.
Entscheidend ist, dass die Qualität von Browserspielen insgesamt nur unter zwei Bedingungen weiter kommen kann. Erstens müssen Projekte klare spielerische Ziele haben und zweitens das Team Zeit und Raum bekommen um diese umzusetzen. Wir wollen hier Vorreiter sein aber wir legen die Messlatte für andere sicher nicht niedriger.
Galaxy-News: Mit diesem Statement zum Schluß können wir uns denke ich ganz gut vorstellen, was uns von euch in Zukunft erwarten wird. Ich bedanke mich für das Interview und wünsche euch viel Erfolg!
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