"Ich meine, dass für die meisten Anbieter von Browsergames sich sehr wenig ändert"
Der Jugendmedienstaatsschutzvertrag steht vor der Tür und wird im Internet für einige Änderungen sorgen. Spiele-Websites und Blogger fürchten, die Jugendschutz-Auflagen nicht einhalten zu können und ihr Seiten schließen zu müssen. Wir haben mit Rechtsanwalt Dr. Andreas Lober über den JMStV und seine Auswirkungen gesprochen.
GalaxyNews: Ab Januar tritt der JMStV in Kraft. Viele Websites befürchten nun, dass sie ihr Angebot den Usern nicht mehr wie bisher zur Verfügung stellen können. Beschränkte Zugänge etwa für Inhalte "ab 18" würden vermutlich dazu führen, dass User auf ausländische Websites ausweichen, was für die deutschen Seiten katastrophale Folgen haben könnte. Was genau haben Website-Betreiber zu befürchten, wie wirkt sich der JMStV auf sie aus?
Dr. Andreas Lober: Auf die leichte Schulter nehmen sollte man die Änderungen nicht: Bei einem Verstoß drohen Bußgelder von bis zu 500.000 Euro, bei manchen Verstößen sogar Freiheitsstrafe. Wer aber keine Inhalte auf seinem Angebot hat, die jugendgefährdend sein können, ist nicht betroffen. Wirklich einschneidende Änderungen gibt es sowieso nur für Angebote, die für Personen unter 16 Jahren nicht geeignet sind. Formal bringen die Änderungen des JMStV übrigens sogar eher Erleichterungen gegenüber der bisherigen Rechtslage. Nur hat sich bisher kaum jemand um den JMStV geschert - abgesehen von Pornoanbietern...
Für ausländische Anbieter gelten übrigens formal dieselben Regelungen. Wobei die deutschen Regelungen im Ausland seltener, manchmal aber dennoch durchgesetzt werden.
GalaxyNews: Die Regelung betrifft auch Browsergames, die in Zukunft gekennzeichnet und evtl. beschränkt werden müssen. Viele Browsergames sind jedoch auch Hobbyprojekte von einzelnen Personen, welche die Auflagen evtl. nicht erfüllen können. Müssen diese ihre Spiele dicht machen?
Dr. Andreas Lober: Der JMStV nimmt keine Rücksicht auf die Größe eines Projektes, so dass auch Hobbyprojekte geschlossen werden können. Andererseits sind die Kosten für eine Umstellung bei kleinen Projekten überschaubar. Die "harten" Maßnahmen (Programmierung für ein Jugendschutzprogramm, Altersverifikationssystem oder Sendezeitbeschränkung) sind ja nur bei Spielen ab 16 oder ab 18 notwendig, in diese Kategorie fallen bisher nur wenige Browsergames. Bei Spielen ab 12 reicht es, wenn diese getrennt von Angeboten für jüngere Kinder sind.
GalaxyNews: Es ist von Abmahnwellen die Rede, die auf Websites etc. zukommen könnten, wenn diese ihre Inhalte nicht kennzeichnen oder beschränken. Siehst du dies ähnlich?
Dr. Andreas Lober: Jein.
Viele Gesetzesänderungen bringen heute Abmahnwellen mit sich und ich nehme an, dass nach der Änderung des JMStV die Umsetzung von dessen Anforderungen viel genauer beäugt wird als bisher, wo er - ehrlich gesagt - ein ziemlicher Papiertiger war. Andererseits bietet sich der JMStV nicht wirklich für Abmahnwellen an: Wenn eine Webseite nicht gekennzeichnet ist, muss der Abmahnende ja vortragen, dass der Inhalt jugnedgefährdend ist. Da sind viele Wertungen dabei, so dass solche Abmahnungen kein Selbstläufer sind.
GalaxyNews: Ist die Annahme richtig, dass ein Artikel oder Video über ein "Ab 18"-Spiel auf einer Website gekennzeichnet und beschränkt werden muss, während die entsprechenden Artikel/Videos in Print-Magazinen weiterhin frei verfügbar sein dürfen? Z.B. liegen diverse Magazine ja offen an einem Kiosk herum und obwohl auf Magazinen eine Alterskennzeichnung ist, gelangen sie dennoch in die Hände Minderjähriger. Ist dies nicht eine Benachteiligung von Website-"Magazinen"? Oder müssen Print-Verlage auch mit heftigeren Einschränkungen rechnen (müssten dann Spielemagazine nicht auch durch eine konsequente Alterskontrolle verkauft werden)?
Dr. Andreas Lober: Artikel für "ab 18"-Spiele - und auch Videos darüber! - sind auch auf Webseiten frei und ohne Beschränkung möglich, sofern es sich nicht um indizierte Spiele handelt und der Inhalt auf der Webseite nicht selbst in jugendschutzrechtlicher Hinsicht relevant ist.
Das heißt, dass zum Beispiel eine Webseite betroffen sein kann, wenn sie ein Video mit Gore-Szenen anbietet - das gilt aber so ähnlich auch, wenn es auf der CD eines Print-Magazins ist. Texte sind in den meisten Fällen unbedenklich, wenn sie nicht ganz hart sind. Bei Screenshots sollten vielleicht nicht die derbsten Szenen verwendet werden...
GalaxyNews: Es ist nicht mehr lange bis Januar. Was rätst du Website- oder Browsergames-Betreibern? Wie sollen sie sich verhalten? Viele Blogs etc. drohen damit, zu schließen oder haben geschlossen und niemand will Gaming-Websites "Ab 18"...
Dr. Andreas Lober: Wie gesagt: die reine Berichterstattung selbst ist kaum betroffen.
Handlungsbedarf besteht v.a. da, wo Material "ab 16" oder "ab 18" ist - Spiele, Trailer, Gameplayvideos, Downloads, eventuell auch Screenshots. Hier sollte der Anbieter darauf achten, die Anforderungen des neuen JMStV zu erfüllen, d.h. zu einer zuverlässigen Alterseinstufung zu kommen (am Besten durch USK oder fsm) und geeignete technische Maßnahmen treffen, außerdem einen Jugendschutzbeauftragten einsetzen.
GalaxyNews: Wie sieht es mit Internetforen oder Websites aus, die z.B. Inhalte von Usern anbieten? Dies alles zu kontrollieren ist doch unmöglichen für den Betreiber.
Dr. Andreas Lober: Das ist einer der großen Schwachpunkte der Neuregelungen. Alles zu kontrollieren ist nämlich nicht sinnvoll, sonst macht der Anbieter die Tür zur Haftung für alle Arten von illegalen nutzergenerierten Inhalten auf. Es wird wohl hier bald Verhaltenskondizi geben, an die sich der Anbieter halten sollte.
GalaxyNews: Gibt es Möglichkeiten, die Auflagen des JMStV aufzulockern bzw. meinst du, die Verantwortlichen sind sich wirklich bewusst darüber, welche weitreichenden Folgen dies für "die kleinen" Betreiber von Seiten im Internet haben?
Dr. Andreas Lober: Generell macht sich der Gesetzgeber leider viel zu selten Gedanken über die Auswirkungen von neuen Vorschriften, erst recht auf kleine Anbieter, und im Bereich des Jugendschutzes ist dies ganz besonders ausgeprägt. Allerdings meine ich, dass für die meisten Anbieter von Browsergames sich sehr wenig ändert.
Über Dr. Andreas Lober:
Dr. Andreas Lober studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Tübingen und Aix-en-Provence (Frankreich). Er promovierte bei Prof. Dr. Ronellenfitsch/Universität Tübingen. Sein Referendariat leistete er in Heidelberg und Brüssel. Vor seinem Wechsel zu Schulte Riesenkampff war Dr. Andreas Lober in leitender Position für einen großen europäischen Internet-Provider und in einer großen deutschen Anwaltssozietät tätig. Sein Schwerpunkt liegt auf dem Medienrecht (insbesondere Internet, Computer- bzw. Videospiele und virtuelle Welten).