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Charme raus, Kommerz rein - Vermarktung von Browserspielen

Charme raus, Kommerz rein - Vermarktung von Browserspielen

Wo sich einst Hobbyentwickler auf einer Browsergame-Spielwiese profilieren konnten, stehen nun gewinnorientierte Unternehmen auf einem Browsergame-Rugbyfeld, im Kampf um Spieler und Euros. Genauso wie die wirtschaftlichen Interessen prallen aber auch die Meinungen aufeinander: Ist die kommerzielle Vermarktung von Browserspielen nun ein Fluch oder ein Segen?

Immer mehr rückt die Browserszene und deren Spiele in den Mittelpunkt gewinnorientierter Unternehmen, welche die Branche als Goldesel für sich entdecken. So sehnen sich manche Spieler und Entwickler die "gute alte Zeit" der Browserspiele, ohne aggressive Werbung und die Ideale Umsatzoptimierung, zurück. Dabei liegt die Wurzel zur Kommerzialisierung genau in dieser Zeit.

Nachdem die Spiele ihre ersten Spieler versammelt hatten, wurde durch die Notwendigkeit von größeren Servern und steigendem Traffic schnell klar, dass das Hobby "Browserspiel" zu einer kostspieligen Angelegenheit für die Entwickler werden könnte. So wurde die Finanzierung dieser Kosten aus Spenden, Werbemitteln oder Premium Accounts getätigt. Die Erkenntnis, dass sich mit Browserspielen Geld verdienen lässt, resultiert also tatsächlich aus der Hobby Szene und ist keine neue Erfindung von großen Vermarktern.

Dennoch geraten Firmen wie Gameforge oder Bigpoint immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik. Von diesen Firmen stammen neue, rein gewinnorientierte Konzepte wie z.B. der Item-Sale oder die Premium-Feature. Diese werden dabei selten direkt gegen Euros gekauft, sondern über eine Ingame-Währung finanziert, die sich im Spiel gewinnen lässt, oder die der Spieler käuflich erwerben kann.
Was hat sich geändert seit dem Bigpoint das Fließband für Browserspiele eingeführt hat? Und hat sich dabei wirklich alles nur verschlechtert oder gibt es auch echte Verbesserungen? Die häufigsten Aufhänger zu oft kontroversen Diskussionen zu diesem Thema, sind in der Regel die verwendete Technik und die Käuflichkeit von Leistungen, innerhalb vom Spiel, durch harte Währung.

In diesem Zusammenhang ist immer wieder von der "großen Abzocke" die Rede. Firmen nehmen auf unmoralischem Wege die Spieler aus. Erstaunlicherweise ist der Begriff nicht mal in Wikipedia zu finden - ich wurde aber anderweitig fündig:

"Wucher bezeichnet das Angebot einer Leistung zu einer deutlich überhöhten Gegenleistung unter Ausnutzung einer Schwächesituation des Vertragspartners."

Kann also an dieser Stelle wirklich von Abzocke die Rede sein? Ich denke Spieler können eigene Entscheidungen treffen ob sie Geld ausgeben wollen oder nicht - oder wird ihnen der freie Wille genommen an einem Spiel teilzunehmen, oder ob sie es ablehnen. Es ist vollkommen ohne Zweifel, dass die Spieler, welche sich Leistungen erkaufen, im Spiel deutlich besser gestellt sind wie Kostenlosspieler. Aber ist das nicht auch gerechtfertigt? Sind es nicht gerade diese Spieler, die eine Neu- und Weiterentwicklung von Spielen ermöglichen? Ich denke eine Besserstellung muss sogar sein, um Bezahlspielern einen Mehrwert für Ihr Geld zu bieten.

Natürlich ist das ungerecht. Nicht jeder kann und will 10€ im Monat für ein Browserspiel investieren. Dennoch profitieren auch diese Spieler von neuen Games. Die meisten denken wohl es muss normal sein ein Spiel kostenlos spielen zu können. Man nimmt das schon fast als Selbstverständlichkeit an. Drehen wir nun einmal diese Sichtweise: Sollte es nicht normal sein für ein Spiel zu bezahlen und Kostenlosspieler dürfen sind daran beteiligen? Könnten diese Spiele nicht auch einfach 100% kostenpflichtig sein? Ich bin der Meinung dass es sich hierbei um ein gegenseitiges Nehmen- und Geben handelt und so halte ich die Kostenlosspieler für ebenso wichtig wie die Bezahlspieler. Sie sind es, die das Spiel mit Leben füllen und für eine gute Atmosphäre sorgen. Ein Spiel ohne Kostenlosspieler ist kaum denkbar und wäre vermutlich weniger erfolgreich.

Man sollte glauben Bigpoint hätte das mit dem Spiel "Space Invasion" erkannt. Ein Weltraumspiel im Stil von OGame, dass vollkommen kostenlos zu spielen ist. Kein Item-Sale, keine Premium Accounts, keine Haken und Ösen. Eine tolle Sache - wäre damit nicht der bittere Beigeschmack verbunden, dass damit der Verdrängungswettbewerb zwischen Bigpoint und Gameforge eröffnet wurde, um Spieler von OGame abzuwerben und so dem Riesen ein Bein zu stellen. Es ist mir also kein besonderes Rätsel warum Bigpoint in den vergangenen Wochen nicht gerade als Sympatieträger bezeichnet werden kann.

Dennoch sind es genau diese Firmen, die den Markt nach vorne treiben und für eine breite Masse von Spielern geöffnet haben. Dabei ist es realistisch, dass sich dieser Prozess noch im ersten Drittel seiner Entwicklung befindet. Der Rush auf neue Spieler ist noch lange nicht abgeschlossen und so ist es absehbar, dass in den kommenden zwei Jahren noch mit deutlichen Zuwächsen zu rechnen ist. Bigpoint befindet sich dabei schon auf dem Wege der Markenbildung. Die Omnipräsenz in der Medienwelt ist über deutlich, während Gameforge noch hauptsächlich auf das virale Marketing setzt und so nach wie vor deutlicher Marktführer anhand der zu messenden Spielerzahlen ist.

Muss diese Tendenz aber nicht auch mit Sorge betrachtet werden? Was wird aus der Vielzahl der Hobbyentwickler? Was aus der Vielzahl derer Entwickler, die sich dadurch einen Weg in die Selbstständigkeit ebnen wollten? Wie sollen sich kreative und innovative Entwickler nun noch dazu motivieren den Giganten entgegen zu treten, weiß man doch schon vorher wie solch ein ungleicher Kampf enden wird. Dennoch beißt sich hier die Katze mal wieder in den Schwanz. Ohne diese Firmen wäre die BG-Szene noch immer in den Kinderschuhen und selbst mit einem tollen Spiel wäre kaum Potenzial vorhanden um damit ausreichend Geld zu verdienen. Mit diesen Firmen sind Spieler in Hülle und Fülle vorhanden aber man hat angesichts geballter Marketingportale kaum eine Chance diese für sich zu gewinnen. Vielleicht ist die Lösung eine Mischung aus beidem. Spiele entwickeln mit Hilfe dieser Firmen?

Fügt man Gameforge, Bigpoint, Redmoon Studios und Travian Games (nur um die Größten zu nennen) zusammen, so zeigt sich auch ein sozialer Aspekt dieser Firmen. Alles in allem werden darin ca. 200 Mitarbeiter beschäftigt. Tendenz steigend. Man darf also annehmen, dass wenigstens 300 Personen von diesen Gehältern leben. Darüber hinaus werden auch in anderen Bereichen wie Marketing, Grafik und Presse Arbeitsplätze gesichert und geschaffen, die es so nicht gäbe.

Mit dem Geld kommt letztendlich auch der Fortschritt. Arbeitskraft kann gezielt gebündelt und zur Weiterentwicklung eingesetzt werden. Design und Grafik gleichen immer mehr herkömmlichen PC-Spielen und steigern so die Wertschöpfung für den Spieler. Eine Diskussionen zu der Qualität und Spieltiefe der Spiele von großen Vermarktern im Vergleich zu Hobbyspielen zu führen, ist ebenso unfruchtbar wie ein Vergleich zwischen Half-Life2 und Die Siedler anzustreben. Der Spieler entscheidet was Spaß macht.

So ist die Entwicklung in Richtung Vermarktung von Browserspielen nicht mehr aufzuhalten. Der Charme der Vergangenheit weicht dem Kommerz der Moderne. Ob dies als Abgrund oder als Sprungbrett zu sehen ist, bleibt wie immer jedem selbst überlassen.

Michael Dilger, 35 Jahre, ist Mitinhaber der Occupa GmbH, die für die Titel KnightsDivine und Battleknight verantwortlich ist. Vor 4 Jahren startete er in der Browserszene als Spieler und hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht.

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